die krasseste Heimfahrt
Hallo Zusammen,
normalerweisse schreibe ich ja keine Blogeintraege, aber dieses Erlebnis ist es definitiv wert.
Nach einem richtig geilen Wochenende in Portland mit Leon und Felix, habe ich mich am Sonntagabend nach dem Superbowl um 21:30 Uhr auf den Heimweg gemacht. 4 Stunden Autofahrt von Portland, vorbei an Seattle zu meinem Platzierungsort Mount Vernon lagen vor mir. In Portland schuettete es heftig, auf manchen Kreuzungen stand schon mehrere zentimetertief das Wasser. Auf dem Highway hatte ich mit krassem Aquaplaning zu kaempfen. Auf den Highways sind 70 MPH erlaubt, ich fahre normalerweisse immer 10 MPH zu schnell, sprich 80 MPH. Diesmal fuhr ich nur 60 MPH und wer mich kennt, weiss dass es was heisst, wenn ich freiwillig 10 MPH langsamer als erlaubt fahre!
Nach dem ich eine Stunde von Portland entfernt war wandelte sich der Regen in Schnee. Ich habe auf meinem Chevy Impala Sommerreifen die fast komplett abgefahren sind! Und es schneite nicht weniger als er vorher regnete. Obwohl ich am naechsten Tag arbeiten muss und die Zwischenpruefung (Mid-term) in meinem Kurs anstand, spielte ich mit dem Gedanken einfach umzudrehen und eine weitere Nacht bei Leon zu verbringen. Da ich aber schon eine Stunde von ihm entfernt war und ich mir auch nicht sicher war ob ich bei ihm ankommen wuerde, dachte ich mir ich schaue wie weit ich komme und kehre dann in irgend einem Motel ein. Also mit 40 MPH weiter in Richtung Heimat gebrummt.
Es lagen weitere 3 Stunden Autofahrt vor mir. Ich machte mir Gedanken, welche Optionen ich habe und wie ich mit der Situation am besten umgehe. Dabei fiel mir auf, dass ich nur noch 1/4 Tank habe. Ich dachte mir, wenn ich stecken bleibe, waere ein voller Tank schon vorteilhaft, damit ich das Auto laufen lassen kann, bis Hilfe kommt. Ausserdem hatte ich schon 3 Mal Startschwierigkeiten, da die Batterie leer war. Da wollte ich es nicht drauf ankommen lassen, bei dem kalten Wetter mein Auto starten zu muessen. Gesagt getan. Die naechste Tankstelle wollte ich also ansteuern. Zwei mal waren Tankstellen angeschrieben, die aber nicht direkt an der Ausfahrt waren, sodass ich erst in die kleine Ortschaft zum tanken haette fahren muessen. Die dritte Tankstelle war dann endlich direkt am Highway. Also habe ich die Ausfahrt genommen. Dabei musste ich feststellen, dass der Highway in einem deutlich besserem Zustand war als alle anderen Strassen. Wahrscheinlich weil der Highway viel staerker befahren ist und die Autos den Schnee wegdraengen. Auf der Ausfahrt lag jedenfalls schon ca. 20 cm Schnee und sie ging bergab. Links konnte man unter der Autobahn durch zur Tankstelle fahren, rechts gings irgendwo ins nirgendwo und gerade aus wieder auf die Autobahn hoch. An dieser beschriebenen Kreuzung war ein 4 Way Stoppschild. (An allen 4 Seiten der Kreuzung ist ein Stoppschild, wer als erstes stoppt, darf als erstes fahren). Ueber dieses besagte Stoppschild bin ich erstmal ungebremst drueber gerutscht. Bremsen war einfach bergab nicht moeglich. Zum Glueck kam kein Auto und im Nachhinein war ich auch froh, dass ich nicht stehen geblieben bin, da ein Anfahren wahrscheinlich unmoeglich geworden waere. An der Tankstelle beim Gas holen, wurde mir dann bewusst, dass ich es nicht bis zu einer Unterkunft schaffen wuerde. Bei diesen Strassenbedingungen und mit meinen Sommerreifen, waere der Unfall garantiert gewesen. Die einzige einigermassen „befahrbare“ Strasse war fuer mich der Highway. Also hiess es nach dem Tanken, wieder auf direktem Weg zurueck auf den Highway.
Zwar hatte ich nun einen vollen Tank, der mich etwas beruhigte, wenn ich stecken bleiben sollte, aber dafuer gingen mir die Optionen aus. Entweder auf dem Seitenstreifen halten, im Auto schlafen, warten bis es hell wird, es aufgehoert hat zu Schneien und die Strassen gerauemt sind oder eben langsam und vorsichtig Richtung Heimat gurken. Rastplaetze gibt es in der USA kaum. Man findet nur LKW-Wiegestationen, die aber alle samt geschlossen waren. Auf dem Rastplatz konnte ich also auch nicht schlafen. Auf dem Seitenstreifen wollte ich nicht schlafen, also machte ich mich mit durchschnittlich 40 MPH weiter auf meinem abenteuerlichen Weg. Mal konnte man 50 MPH fahren, mal auch nur 30 MPH. Die linke Spur war mittlerweile komplett zu geschneit, nur die mittlere und rechte Spur war noch befahrbar. Ich habe mich immer mit grossem Abstand hinter LKWs gehaengt, da diese mit ihren vielen grossen Reifen die Spur etwas frei machten. Das aller erste Mal in meinem Leben war ich froh, hinter einem langsamen Fahrzeug hinterher fahren zu koennen. Ich haette auch nie gedacht, dass ich das mal sage, aber ein Hoch auf die Elektronik im Auto, denn ohne ABS, Traktionskontrolle und Co haette ich wirklich auf dem Seitenstreifen schlafen muessen. Auch hier hat es sich gelohnt, dass ich etwas mehr ins Auto investiert hatte, als ich eigentlich wollte.
Ich fuhr nun stundenlang im Schneckentempo den LKWs hinterher, dabei habe ich einiges gesehen:
– Ein Baum der auf die Fahrbahn gestuerzt ist und die rechte Spur blockierte. Ich war zum Glueck auf der mittleren Spur und habe nur ein paar Aeste gestreift.
– Ein umgestuerzter Strommast, bei welchem ich ueber die Stromkabel gefahren bin.
– Zwei gruene Blitze am Himmel, einen aus dem Augenwinkel, den zweiten verschleiert durch die Wolken.
– Einen auf der Seite liegenden LKW, der in die linke Leitblanke gekracht war und zum Glueck schon von Polizei und Feuerwehr versorgt wurde
– Sowie zahlreiche andere Autos die Links und Rechts im Seitengraben lagen. Auch diese wurden bereits alle von Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen, Abschleppwagen oder sonstigen Rettungskraeften versorgt.
An dieser Stelle ein grosses Lob an die amerikanischen Behoerden, dass trotz sehr seltenen Schneefalls in diesem Gebiet, so eine Kapazitaet an Rettungskraeften zur Verfuegung stand und allen offensichtlich schnell geholfen werden konnte. Kurzer Zwischentipp, wenn das Auto die Haftung verliert, einfach vom Gas gehen, nicht bremsen und nicht oder nur ganz leicht dagegen lenken, bis die Reifen wieder Halt finden.
Auf der Hoehe Tacoma ( Tacoma liegt 30 Meilen vor Seattle ) fing langsam die Blase an ziemlich stark zu druecken. Aber wo halten?! Eine Ausfahrt willst du wegen des Schnees nicht nehmen und auf dem Seitenstreifen schaffst du es wahrscheinlich nicht mehr anzufahren, da auch dieser zugeschneit ist. Ich hatte riessen Glueck als zwischen Seattle und Tacoma dann tatsaechlich eine Raststaette kam und diese durch die zahlreichen LKW Spuren auch befahrbar war. Also kurz Stopp gemacht und mich im Schnee verewigt. Auf dieser Raststaette wollte ich dann aber auch nicht mehr uebernachten. Zwischen den ganzen LKWs war es mir etwas unheimlich und ausserdem lagen schon 4 Stunden fahrt im Schnee hinter mir und nur noch 2 Stunden fahrt vor mir. Ich dachte wenn ich die 4 Stunden geschafft habe, werde ich die restlichen 2 Stunden auch noch schaffen.
Auf der Hoehe Seattle wurde dann der Schneefall deutlich weniger. In Seattle selbst regnete es sogar wieder. Ich konnte also wieder auf 60 MPH hoch beschleunigen. Die Freude war jedoch nur von kurzer Dauer, da zwar nach Seattle deutlich weniger Schnee viel, aber auch deutlich weniger Verkehr und vor allem deutlich weniger LKWs unterwegs waren. Die Fahrbahn war also nicht so sehr frei gefahren wie davor. Die letzten zwei Stunden habe ich auf Grund dessen auch wieder im Schneckentempo verbracht.
Endlich in meinem Ort Mount Vernon angekommen, hatte ich erneut Glueck, denn die Ausfahrt und die Haupstrasse East-College-Way war schon gerauemt. Um zu meinem Haus zu gelagen, muss ich einmal einen steilen Huegel hoch. Diesen bin ich schon mal als es geschneit hatte und dieser ungerauemt war, hoch gefahren. Also warum dieses mal nicht, habe ich mir gedacht. An dieser Stelle angekommen, musste ich lernen, wenn man denkt, man ist langsam genug, ist man es noch lange nicht. Mit gefuehlt einem MPH bin ich in der Kurve in die Verkehrsinsel gerutscht. Passiert ist nichts, den ich war echt schon verdammt langsam. Es kam mir vor wie in Zeitlupe. Bergauf anfahren war danach nicht drin, genauso wenig wie Anlauf holen. Also erstmal 5 Meter rueckwaerts wieder runtergerutscht um dann umzudrehen und es von der anderen Seite des Huegels zu versuchen. Diese Seite ist nicht ganz so Steil. Um auf die andere Seite zu kommen, musste ich mich wieder durch ungerauemte Strassen quaelen. Aber ich war ja fast am Ziel. Auf der anderen Seite des Huegels angekommen, habe ich ordentlich Anlauf genommen, auf 50 MPH hoch beschleunigt und es ohne Probleme ueber die erste und gleichzeitig steilste Steigung geschafft. Die naechsten Steigungen sollten also kein Problem sein, dachte ich. Falsch gedacht! Denn eine weitere Steigung war in einer Kurve. Beschleunigt, sodass ich es ohne Probleme schaffen sollte, aber natuerlich die Rechnung mit der Lenkung nicht gemacht. Ich war zu schnell, rutschte und konnte nicht lenken, also musste ich abbremsen um die Kurve noch zu bekommen. Ich hoffte dass ich nun nicht zu langsam bin und wieder rueckwaerts runter rutsche. Aber irgendwie hat meine Geschwindigkeit dann gerade doch noch so gereicht um die Steigung zu erklimmen.
Nach 7 Stunden, statt 4 Stunden fahrt, bin ich dann endlich Nachts um 3:30 Uhr zuhause angekommen. Ich war heil froh, dass mir in 6 Stunden rumrutschen nichts passiert ist. Ich habe mir mehrmals waehrend der Fahrt gedacht, dass ich diese Strecke viel lieber mit meinem Golf mit Winterreifen und Kupplung gefahren waere, aber mein Chevy Impala hat mich nicht im Stich gelassen. Nun 3,5 Stunden schlafen und dann ab auf die Arbeit und anschliessend die Zwischenpruefung schreiben. Als ich mich heute morgen, dann aus dem Bett gequaelt habe, kam mir meine Hostmum entgegen und sagte mir, dass das College auf Grund des Schneetreibens heute zu hat. Nach einem kurzen Blick auf die College Webseite und meine E-Mails konnte ich wieder ins Bett und weiterschlafen. Halleluja!
Am naechsten Tag wundere ich mich, wie ich es tatsaechlich Heim schaffen konnte. Wahrscheinlich war grosses Glueck dabei.
Das war die krasseste Autofahrt meines Lebens
PS: ich schreibe mit einer amerikanischen Tastatur, sprich ohne ae oe und ue und auch ohne scharf S. Und deshalb auch ohne Korrektur der deutschen Rechtschreibung.